P. Moser u.a. (Hrsg.): Textes d'Augusta Gillabet-Randin

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Titel
Une paysanne entre ferme, marché et associations. Textes d'Augusta Gillabert-Randin 1918-1940


Herausgeber
Moser, Peter; Gosteli, Marthe
Reihe
Studien und Quellen zur Agrargeschichte 1
Erschienen
Baden 2005: hier + jetzt, Verlag für Kultur und Geschichte
Anzahl Seiten
329 S.
Preis
€ 30,65
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von
Tobias Dietrich, Fachbereich Geschichte, Staatliches Studienseminar in Koblenz für das Lehramt an Gymnasien

Wissenschaftliche Quelleneditionen zur Agrargeschichte1, zumal zu der des 20. Jahrhunderts sind selten. Dies überrascht angesichts des zahlenmäßig überschaubaren Feldes akademisch tätiger, historischer Experten nicht. Es verwundet jedoch, bedenkt man die große Zahl von an der Geschichte des ländlichen Raumes überaus interessierten Lesern, was die zahlreichen lokalen Periodika belegen.
Die Sammlung „Une paysanne entre ferme marché et associations“ hat eine solche „interessierte Öffentlichkeit“ (S. 8) im Blick. Sie wird vom Leiter des 2002 gegründeten Archivs für Agrargeschichte (AfA) Peter Moser sowie der Publizistin Marthe Gosteli herausgegeben.
Mit dem Erscheinen des ersten Bandes der Studien und Quellen zur Agrargeschichte, welche das AfA 2005 im Hier und Jetzt Verlag publizierte, verbinden sich hohe Erwartungen hinsichtlich des Gegenstands. Hingegen mangelt es an Publikationsvorbildern und geschichtswissenschaftlichen Standards, an welchen sich die Quellenedition messen lässt.
Doch bietet die neue Publikationsreihe, was häufig bei derartigen Publikationsprojekten der Fall ist, eigene Maßstäbe an: Ein Vorwort mit Rezensionscharakter (S. 11f). Der Leser erfährt von Beatrix Mesmer, „es war eine gute Idee der Herausgeber, die neue Reihe mit einem Thema zu eröffnen, das bisher von der Historiografie kaum beachtet worden ist.“ (S. 10) Wird die Edition diesem Anspruch gerecht, gut, innovativ und historiographisch korrekt zu sein?
In der Tat ist die Geschichte der Schweizer Bäuerinnen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts weitgehend unerschlossen. Augusta Gillabert-Randin, die Autorin der präsentierten Texte ist nur wenigen Experten bekannt. Ihr Schaffen eröffnet einen Zugang zum Thema „Frauen im ländlichen Leben nach 1918“. Gleichwohl ist sie aufgrund ihrer Biographie und ihres beruflichen Werdegangs als Anführerin, nicht als Beispiel für die zahlreichen Landbewohnerinnen repräsentativ, welche bis in die 1940er Jahre am Rande der Existenzsicherung wirtschafteten.
Eine viel zu kurze Biographie (S. 317f) informiert, dass Augusta Randin 1869 in der aufstrebenden Kleinstadt Orbe (Kanton Waadt) geboren wurde. Nach ihrer schulischen Ausbildung, die sie in einer höheren Schule abschließt, arbeitet sie im Lebensmittelgeschäft ihrer Eltern (Abb. S. 97). Im Alter von 24 Jahren heiratet sie den späteren Gutsbesitzer Gillabert, der 1914 stirbt und Augusta mit fünf gemeinsamen Kindern zurücklässt. Ab 1918, das jüngste Kind ist sechszehn Jahre alt, beginnt sie neben der Gutsleitung damit, Artikel, vor allem in der Zeitschrift „l’Industrie Laitière Suisse" zu veröffentlichen. 1918 gründet sie die erste Bäuerinnengenossenschaft der Schweiz, die „Association des Paysannes de Moudon“. Bis zu ihrem Tod 1940 engagiert sie sich national und international für eine verbesserte Bildung und Absicherung der Bäuerinnen. Daneben setzt sie sich für das Frauenwahlrecht ein und nimmt aktiv an der Abstinenzbewegung teil. Gillabert-Randins Engagement spricht für sich.
Die Herausgeber bleiben mit ihrer zu ungenauen Einordnung in den Forschungskontext der Agrar- wie der Geschlechtergeschichte (S. 38-42) deutlich hinter dieser schillernden Autorin. Dies belegen nicht zuletzt die stark selbstreferentiellen Anmerkungen (S. 319-321). Völlig ausgeblendet werden die beachtlichen wissenschaftlichen Erträge der deutschen Agrargeschichte, der französischen Histoire Rurale und der österreichischen Geschichte des ländlichen Raumes 2.
Die Herausgeber ordnen die Texte der Schweizer Autorin an in fünf Rubriken unter den Überschriften „l’organisation syndicale des paysannes“ (S. 49-90), „la formation professionelle des paysannes“ (S. 91-120), „la vie rurale et le travail des paysannes“ (S. 121-169), „l’agriculture et les paysannes dans la société“ (S. 170-222), „les rapports de congrès nationaux et internationaux“ (S. 223-279). Ferner werden die Protokolle der von Gillabert-Randin gegründeten Genossenschaft veröffentlicht (S. 280-310), das von ihr vorgeschlagene und vorangetriebene Filmprojekt über die Landfrau bei der Arbeit erhält ebenso Beachtung (S. 311-315). Die Kapitel sind chronologisch gegliedert.
Die Zuordnung der Texte in die fünf Rubriken dürfte nicht leicht gefallen sein. Unklar bleibt in vielen Fällen die Abgrenzung zwischen Organisation und beruflicher Formation. Schwierig ist das fünfte Kapitel. Hier geben die Herausgeber ihre sachliche Ordnung auf. Stattdessen heben sie den hohen Grad der öffentlichen Aufmerksamkeit für Gillabert-Randin hervor, ohne dass die inhaltlichen Differenzen zu den vorhergehenen Kapiteln deutlich würden (z.B. S. 228-235). Eine kontinuierlich durchgehaltene, sachliche Anordnung der Texte würde die Benutzung der Quellenedition für konkrete Forschungsfragen deutlich erleichtern.
Im Einzelnen bietet die Sammlung zahlreiche sinnvoll ausgewählte, weil lesenswerte Dokumente, in welchen Gillabert-Randin eine verbesserte Ausbildung der Landfrauen fordert (S. 105-107) oder gegen die vermeintliche Monotonie des Landlebens anschreibt (S. 137-139).
Ungenau teilen die Herausgeber dagegen mit, welche Recherchen sie betrieben und vor allem mit welchen Argumenten sie bestimmte Texte ausgewählt haben. Zwar geben sie vereinzelte Hinweise (S. 8, 13f, 47, 319, Anm. 1), doch nachvollziehbare Kriterien, etwa Publikationsorte, Adressatenkreise etc. werden nicht genannt. Vor allem erklären Moser/Gosteli die unterschiedliche Bedeutsamkeit der ausgewählten Texte nicht. Keinesfalls haben alle Dokumente die gleiche Relevanz. So verdient der Artikel, welcher von der bis dato einzigartigen Genossenschaftsgründung einschließlich deren Programm berichtet (S. 49f) mehr Aufmerksamkeit als die häufigeren Artikelvariationen, dass es notwendig sei, Landfrauen fort zu bilden.
Die auf diese Weise fassbare fehlende Distanz zum historischen Subjekt wurzelt in der sehr wohlwollenden Position der Herausgeber gegenüber Gillabert-Randin. So teilt die Landfrau 1922 selbst mit, dass der Anspruch der Genossenschaft gescheitert sei, doch nach Moser/Gosteli „beklagte sie diesen Sachverhalt nicht“ (S. 45).
Insgesamt ist die Quellensammlung trotz einer genaueren Einbindung in die gegenwärtige Forschung hinreichend historiographisch. Die Editionskriterien (Ordnung, Auswahl) ließen sich explizieren und überarbeiten. Hinsichtlich der Gegenstandswahl wird der Band weiterführenden Forschungen dienen. Ob er das Lesebedürfnis einer über das kleine Feld der Agrarhistoriker hinausgehenden „interessierten Öffentlichkeit“ zu befriedigen mag, muss mit einem Fragezeichen versehen werden.

Anmerkungen
1 Z.B. Ländliches Leben in Mecklenburg in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Hg. von Mario Niemann. Rostock 2004.
2 Deutschland: z.B. Zeitschrift für Agrargeschichte und Agrarsoziologie 52 (2004); Frankreich: z.B. Ruralia 2003; Österreich: z.B. Jahrbuch der Geschichte des ländlichen Raumes 2 (2005).

Redaktion
Veröffentlicht am
19.04.2007
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